Nadine Niederjohann

Im Alter von knapp 6 Jahren hatte ich die erste Begegnung mit dem Sterben. Durch den Tod meiner krebskranken Kindergartenfreundin und meiner Ur-Oma, bei der ich auf einen persönlichen Abschied bestand, wurden die ersten Fragen, sowie eine gewisse Neugier geweckt.

Während eines einjährigen Schülerjobs im örtlichen Alters- und Pflegeheim durfte ich eine Dame vor und während ihres Sterbeprozesses begleiten. Im Anschluss war ich aufgrund meiner familiären Situation im Alter von 15 bis 17 Jahren beim Caritas im Familienentlastenden Dienst angestellt und betreute vergleichbar zum heutigen Assistenzmodell ein gleichaltriges schwer behindertes Mädchen, sowie ein weiteres kleines schwerst-mehrfach behindertes Mädchen, welches nach knapp einem Jahr der Begleitung starb.

Durch weitere prägende Ereignisse im jungen Erwachsenenalter kam der Wunsch auf, Menschen in der letzten Lebensphase zu begleiten. Begriffe wie Palliative Care waren zu der Zeit noch keinem bekannt.

Ausbildungen in diesem Bereich wurden nur in Verbindung mit Pflegeberufen angeboten. Mein Fokus lag aber vor vielen Jahren schon auf der psychosozialen Begleitung, die einen völlig anderen Rahmen benötigt, als bei der Pflege, unter Zeitdruck, zwischen Tür und Angel.

Seit meinem 15. Lebensjahr verschlinge ich alles was zum Thema Sterbebegleitung und Nahtoderfahrungen verfügbar ist.

Ich machte eine Ausbildung zur MTA, bekam mit 27 mein erstes Kind und war mit Leib und Seele Mama für die kommenden Jahre.

Gleichzeitig konnte ich in speziellen Netzwerken, Vereinen und im privaten Umfeld viele Jahre eine Stütze für akut betroffene Familien in verschiedenen Extremsituationen sein.

2005 wurde ich als junge Mutter durch eine akut lebensbedrohliche Erkrankung mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert.
Das hat mich nachhaltig verändert!

Nachdem meine Tochter 2015 starb, beschloss ich mit all meiner Erfahrung und den dadurch zum Teil sehr früh entwickelten Fähigkeiten mir meinen Wunsch aus der Jugend zu erfüllen und begann aktiv mit der Begleitung von Menschen in der letzten Lebensphase, und Eltern die eine lebensverändernde oder limitierende Diagnose für ihr Kind bekommen haben:

Da der eigene Erfahrungsschatz zwar riesengross ist, dieser alleine aber keine kompetente Begleitung ermöglicht, habe ich eine Ausbildung zur Sterbeamme bei Claudia Cardinal absolviert, und den CAS Studiengang Palliative Care an der Universität Luzern erfolgreich abgeschlossen.

Seit Januar 2020 bin ich im ehrenamtlich im Hospiz tätig.

Ein Hospiz Begleitkurs gehört ebenso zur stetigen persönlichen Weiterbildung, wie der Besuch von Fachtagungen, die Auseinandersetzung mit dem Thema Demenz und das lesen von unzähligen Büchern

Weiterbildungen und Vorträge zu allen relevanten Themen meiner Arbeit besuche ich wann immer möglich aus Leidenschaft für meine Tätigkeit als Sterbeamme. Ein multiprofessionelles Netzwerk sorgt ständig für Weiterentwicklung, neue Ideen und Möglichkeiten.

Keiner fragt mich, wie es mir geht, weil alle Schiss haben.
Dieses krampfhafte Reden über alles Mögliche, das tut weh.
Hey kapiert ihr nicht?
Ich werde sterben!
Das ist mein einziges Thema, in jeder Minute, in der ich alleine bin.

(Heiner Schmitz)